Abstract (in original language)
In programmierbaren Medien produzierte Literatur erfordert eine Rekonzeptionalisierung des Rezeptionsprozesses sowie die Entwicklung neuer Konzepte zur Bewertung von (elektronischer) Literatur. Dies ist notwendig, wenn kinetische oder vom Computer zufällig rekombinierte und generierte Texte, interaktive Erzählungen, Hyperfictions oder Gedichte, die als bewegte Buchstaben auf dem Bildschirm erscheinen, Analyseobjekte für Archivierungsprozesse darstellen. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können tragfähige Verfahren zur Archivierung und Bewertung dieser Literatur entwickelt werden. Es geht daher nicht um die Frage, wie überlieferte Texte digitalisiert und archiviert werden können. Vielmehr geht es bei den laufenden Initiativen der „Electronic Literature Organization“ (ELO), die im Folgenden vorgestellt werden sollen, um „born-digital works“, d.h. um „elektronische Literatur“, „Netzliteratur“, oder „Literatur in neuen Medien“ (um nur drei der zahlreichen Bezeichnungen des aufstrebenden Forschungsfeldes zu nennen). Alle Bezeichnungen haben gemein, dass es sich um Projekte handelt, die mit computerbasierten Medien produziert und zugleich als Teil der literarischen Tradition angesehen werden können. Die amerikanische Library of Congress hat die Potentiale des Forschungsfeldes erkannt und die ELO im Jahr 2007 damit beauftragt, in Kooperation mit dem webbasierten Service „Archive-It“ 300 Projekte, darunter auch relevante Journale und Blogs zu archivieren.
Unter Berücksichtigung der ästhetisch komplexen Komposition von multimedial gestalteten literarischen Texten wird dieser Beitrag zunächst das Begutachtungsverfahren der ELO vorstellen. Anschließend wird der technischen Komplexität der Arbeiten Rechnung getragen; dabei wird über Probleme bei der Erfassung von Flash- oder JavaScript-basierter elektronischer Literatur berichtet: Es wird davon ausgegangen, dass es beim Beschreiben und ‚Taggen‘ von Projekten notwendig ist, die technischen Probleme der Archivierung zu berücksichtigen. Der Beitrag soll daher auch als Beispiel für die Bewertung, Evaluation und Archivierung von variabler Medienkunst, wie es die elektronische Literatur ist, dienen.