Zeit für die Bombe

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"Zeit für die Bombe" ist eine multilineare Erzählung, die ich 1997 fürs World Wide Web schrieb. Schon damals träumte ich davon, sie einmal in einem digitalen Buch zu lesen. Als die Erzählung beim Internet-Literaturpreis "Pegasus" der Wochenzeitschrift "DIE ZEIT" den 1. Preis gewann, rieten mir viele Leute dazu, die Quatschidee mit dem digitalen Buch schnell wieder aufzugeben und stattdessen ein vernünftiges, also gedrucktes Buch zu schreiben. Grund: Der Hypertext sei tot, und das schon länger. Ob ich denn das noch nicht bemerkt hätte? Womöglich aus purer Sturheit schrieb und programmierte ich trotzdem weiter Hypertexte ( "Hilfe!" und "Die Schwimmmeisterin"), bis das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mir 2002 den zweifelhaften Ehrentitel "Veteranin der schwindsüchtigen Szene" verlieh. Immerhin erkannte ich, dass das Magazin damit so falsch nicht lag. Denn multilineare Erzählungen im Internet zu veröffentlichen, hatte unübersehbare Nachteile. Der größte davon war, dass die Leser diese gar nicht lasen, sondern vor allem darin herumklickten, und zwar so schnell, dass sie gar nichts lesen konnten. (Ja, das ist wissenschaftlich bewiesen.) Leser, die gar nicht lesen, sind natürlich ein Problem. Man stelle sich vor: Bücherleser würden Romane nach der Methode Daumenkino konsumieren. Angesichts der Leser, die gar nicht lasen, drängte sich der Schluss auf, eine verzweigte Geschichte sei zum Lesen einfach nicht geeignet. Aber: Als Stephen King um die Jahrtausendwende einen komplett linearen Roman zum Download ins Internet stellte, lasen die Leser diesen ebenfalls nicht. Sie klickten nicht mal auf den Download-Button. Lag die mangelnde Leselust also eher am unhandlichen Gerät als an den angebotenen Inhalten?In der Zwischenzeit haben wir genau die Geräte, von denen ich einst träumte: Tablets, E-Books, riesige Smartphones. Und: Die Leute lesen (Literatur) darauf. Sie bezahlen sogar dafür. Ich auch. Aber: Würden Sie auf ihren Tabletts und Smartphones auch Hyperliteratur lesen? Höchste Zeit für einen Testballon, für eine App-Version von "Zeit für die Bombe"!Da ich in den vergangenen 16 Jahren etwas Weisheit (oder Dummheit) gewonnen habe, glaubte ich, diese in die App-Version einfließen lassen zu müssen. Die App ist daher intelligenter als die Internetversion - oder halt auch dümmer. Das müssen die Leser entscheiden. Die maßgeblichen Unterschiede sind:1) Der Erzähler der Geschichte weiß, wenn der Leser auf eine Seite zum zweiten Mal kommt und reagiert mit einem leicht veränderten Text darauf. Ich schrieb diese Textteile bereits 1997 für eine öffentliche Hyperlesung. Davon abgesehen wurden sie bislang nicht veröffentlicht.2) Ich ergänzte einen Notausstieg für verirrte Leser, mit dessen Hilfe jeder zu den Seiten zurückfinden kann, auf welchen er Abzweigungen links liegen gelassen hat.3) Eine Prozentangabe zeigt dem Leser, wie viel er von der Geschichte bereits gelesen hat. Diese Änderungen führen dazu, dass jeder Leser nach einer guten halben Stunde sicher sein: Ich habe alle Seiten gesehen, ich habe diesen Hypertext fertig gelesen - bzw. geklickt.(Source: Author)

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